Zum Maßnahmenkatalog, mit dem Regierungsparteien politische Konkurrenz verhindern, gehört die Pflicht zur Unterschriftensammlung der Kleinparteien. Was man dabei von Polizei über Ordnungsamt bis Ignoranz erlebt, schildert dieser Bericht (mit Bildergalerie).

neo bei NRW Landtagswahl am 15.05. auf Deinem Wahlzettel!

Spoiler: Wir haben es geschafft! Am 15.05. stehen wir auf dem Wahlzettel aller Wahlberechtigten aus NRW!

Nach 2 Monaten erfolgreicher Unterschriftensammlung und der Erfüllung aller Anforderungen von Landeswahlordnung, Landeswahlleiter und Landeswahlausschuss haben wir es nun offiziell geschafft: Unser sensationelles Programm ist am 15. Mai für alle Wahlberechtigten aus NRW wählbar.

Der Weg auf den Wahlzettel war mühsam, u.a. durch:

  • Behinderung durch Polizei und Ordnungsämter
  • Platzverweise
  • Mindestabstände und Maskenzwang in Fußgängerzonen
  • Veranstaltungsverbote
  • Völliges politisches Desinteresse der meisten Wähler
  • Konkurrenz von 63 weiteren ebenfalls sammelnden Parteien
  • Kälte, Sturm und Regen

Es war ein Kraftakt, die Unterschriften zur Wahlzulassung zu stemmen, zumal wir uns spät zur Wahlteilnahme entschlossen und erst im Januar begannen, aber allein dieser Kraftakt zeigt, dass wir zumindest in NRW genügend Aktive haben.

Wie erfolgreich Deutschlands Regierungsparteien darin sind, Konkurrenz vom politischen Markt auszuschließen, sieht man am Ergebnis: Von über 1.000 seit 1949 gegründeten Parteien schafften es nur 2 neue Parteien (Grüne, AfD) in den Bundestag, vor allem dank medialer Unterstützung (Grüne: Thema Unwelt, Atomkraft, Abrüstung; AfD: Faszination der Medien für die Gründung durch 328 neoliberale Professoren). Ein gesunder politischer Wettbewerb sieht ganz anders aus.

Bundeswahlordnung und Landeswahlordnungen: Antidemokratisch?

Wir erkennen die Notwendigkeit an, dass es gewisse Hürden geben muss, um auf einem Wahlzettel zu erscheinen. Sonst wären Wahlzettel so lang wie Telefonbücher. Das Land NRW ist mit seiner Landeswahlordnung noch recht demokratisch: 1.000 “Unterstützungsunterschriften” von Wahlberechtigten müssen Kleinparteien sammeln, um bei einer Landtagswahl in NRW auf dem Wahlzettel zu erscheinen. Diese Unterschriften dürfen die Kleinparteien mit Einzelformularen “Anlage 14b der Landeswahlordnung NRW” auf der Straße und im Bekanntenkreis sammeln. Wer dieses Formular ausfüllt, besagt lediglich: “Ich bin dafür, dass diese Partei auch auf dem Wahlzettel steht”. Mehr nicht.

Undemokratisch und nicht begründbar ist die Einschränkung bei allen Wahlen, dass kein Bürger für mehr als eine Partei unterzeichnen darf. Das ist so, als wäre es verboten, gleichzeitig Fan vom MSV Duisburg und Rot-Weiß Oberhausen zu sein. Das führt dazu, dass die kleine Minderheit politisch interessierter Bürger, die bereits für eine Partei unterzeichnet hat, für andere Parteien verbrannt ist. Die Regierungsparteien klassifizieren die Unterstützung zweier Parteien – also die Erklärung “ich möchte, dass sowohl Partei X als auch Partei Y auf dem Wahlzettel steht” – sogar als Straftat. Vollkommen absurd.

In Bayern ist die Hürde besonders undemokratisch hoch: Hier muss jeder Bürger, der eine Partei unterstützen möchte, einen halben Tag Urlaub nehmen, ein Amt seiner Gemeinde aufsuchen und dort unterzeichnen. Dementsprechend schwierig bis unmöglich sind Wahlteilnahmen für Kleinparteien in Bayern. Eigentlich ist das nur für Parteien mit hohen Zahlen aktiver Mitglieder möglich.

Baden-Württemberg schikaniert Kleinparteien auf andere Weise: Hier ist es nicht egal, wo im Land der Wohnsitz der Unterzeichner ist: Baden-Württemberg fordert Mindestanzahlen aus allen einzelnen Wahlkreisen, um dort jeweils auf dem Wahlzettel zu erscheinen. Wer in Stuttgart 100.000 Unterschriften erhalten hat, steht in Freiburg noch längst nicht auf denm Wahlzettel. Für Kleinparteien ist die flächendeckende Präsenz mangels Mitgliedern/Aktiven und Geld so gut wie unmöglich.

Das kleine Rheinland-Pfalz fordert normalerweise 2.080 Unterschriften für die Teilnahme an einer Landtagswahl. Das ist pro Wähler/Einwohner mehr als das 4-fache von Nordrhein-Westfalen.

Nordrhein-Westfalen ist bei Landtagswahlen demokratischer als andere Bundesländer. Immerhin. Aber wie schwer es selbst hier ist, schildert der nachfolgende Bericht.

Schikanen der Ordnungsämter

Sackkarre mit Plakat: Aus Sicht des Kölner Ordnungsamts ein genehmigungs- und gebührenpflichtiger “Stand”

Wenn man zum Beispiel in Köln am Rand eines Marktplatzes eine Sackkarre mit einem Plakat irgendwo als Blickfang hinstellt, gilt dieser Viertel-Quadratmeter als genehmigungs- und gebührenpflichtige Sondernutzung städtischer Flächen.

Das Ordnungsamt Köln teilte uns mit, dass wir die Fläche sogar mindestens 14 Tage vorher beantragen müssen.

Auf unseren Einwand, dass Unterschriftensammlungen bei Regen nicht funktionieren (kaum Passanten, Papierformulare) und niemand das Wetter der nächsten 14 Tage voraussagen kann, erwiderte das Ordungsamt, dass wir einfach eine Vielzahl von Terminen buchen könnten, von denen wir dann einen trockenen Tag auswählen können. Die verregneten Termine müssten wir natürlich trotzdem bezahlen.

Die Frage, ob man eine Sackkarre auch genehmigen muss, wenn man sie durch die Stadt schiebt, verneinte das Ordnungsamt. Die Frage, ob man denn beim Durch-die-Stadt-schieben auch mal stehen bleiben darf, um sich zum Beispiel die Nase zu putzen oder auf eine grüne Ampel zu warten, bejahte das Ordnungsamt ebenfalls.

Auf die Frage, bei wieviel Sekunden genau die Grenze liegt, dass ein Stehenbleiben genehmigungspflichtig wird, wusste der Sachbearbeiter keine Antwort.

Wir verzichteten dankend auf die Genehmigung und waren lieber kostenlos und genehmigungsfrei immer ein wenig in Bewegung.

Das Wetter-Problem

Jede Unterschriftensammlung hat ein Problem mit schlechtem Wetter. Wir hatten mit Kälte, Regen und Wind zu kämpfen. In Düsseldorf suchten wir in diesem Beispiel Schutz unter einer Brücke und banden unseren Aufsteller mit einem Spanngurt an einem Brückenpfeiler fest.

Oben: NRW Landesvorsitzender Dirk Westerheide (links) und die Landtagskandidaten Christopher Rommerskirchen und Andreas Vogel (gleichzeitig Bundesgeschäftsführer und Manager der Unterschriftensammlung) sowie Majbritt Vogel (Bundesschatzmeisterin, und ebenfalls Management der Sammlung sowie Behördenkorrespondenz) in Düsseldorf.

Der Blickfang “Berufspolitiker abschaffen” wirkte hervorragend. Viele Passanten hätten das gern. Um das zu realisieren, würden sogar manche Nichtwähler wählen gehen.

Behinderung durch die Polizei Düsseldorf

Auch die Düsseldorfer Polizei (im Hintergrund: Polizeipräsidium) war bemüht, unsere (von der Landesregierung vorgeschriebene) Unterschriftensammlung zu behindern. Als Stein des Anstoßes nahm die Polizei schließlich unseren Stehtisch (vorn im Bild, zusammengeklappt), auf dem Passanten das Formular besser ausfüllen konnten: Mit einem solchen Mini-Tisch sei das ein genehmigungspflichtiger Stand. Wir wechselten daraufhin den Standort.

Christopher, Andreas, Majbritt und Dirk mit dem “Corpus delicti” – einem Klapptisch

Von der Düsseldorfer Polizei erhielten wir für die Unterschriftensammlung sogar Platzverweise.

Ignoranz in Köln

Auf der Suche nach möglichst vielen Passanten lag es eigentlich nahe, in der Einkaufsstraße “Hohe Straße” in Köln zu sammeln. Da es extrem schwierig ist, maskiert auf 1,50 Meter Abstand Menschen anzusprechen, die ebenfalls maskiert sind, stellten wir uns mit 7 Aktivisten direkt vor der Maskenzone neben einem Geschäft am Wegesrand auf (im Hintergrund: Wallrafplatz).

Es dauerte nur wenige Minuten, bis uns der Geschäftsführer des Geschäfts bat, ein paar Meter weiter zu ziehen.

Das hatten wir ohnehin vor, denn die Ignoranz fast aller shoppenden Passanten war enorm: Die Politik und Parteien seien super. Es gebe keinen Grund, andere Parteien zu wählen als die immer gleichen Regierungsparteien, etc.:

“Ich interessiere mich nicht für Politik. Ich will bloß shoppen!”


Bild oben: “Streetfighter” und “Sandwichman” (selbst gestaltete Werbetafeln an Bauch und Rücken) Hajo Selzer (stellvertretender Bundesvorsitzender, fast jede Woche extra aus Bernkastel-Kues an der Mosel angereist) in seinem Element

Standortwechsel: Auf zum Beginn der Hohenzollernbrücke Köln!

Anzeige wegen “verbotener Versammlung”

Kaum zu fassen: Nur wenige Minuten, nachdem wir am Rand des Anfang der Hohelnzollernbrücke standen, erschien die Polizei:

Wo liegt das Problem? Ein Bürger aus Köln erstattete Anzeige wegen einer “verbotenen Versammlung” – mit 7 Personen!

Wir diskutierten mit den Polizisten über die Frage, ab wieviel Menschen man eine Versammlung sei. In Hannover umzingelte die Polizei Anfang Januar 2 (in Worten: Zwei) Personen und erstattete Anzeige wegen einer “verboteten Versammlung”. Das sahen die beiden sehr freundlichen Kölner Polizisten rein rechtlich gesehen ebenso. Zudem sei unser Plakat-Aufsteller eine Meinungsäußerung und damit ein Indikator einer Versammlung.

Offenbar mussten sie das so sehen, denn wir hatten den Eindruck, dass ihnen die Vorschriften selbst absurd erschienen. Aber es ist ihr Job, jede Anzeige zu verfolgen.

Wir überraschten die beiden mit der Erklärung, dass dies keine Versammlung, sondern eine Unterschriftensammlung für die Landtagswahl ist. Ihr oberster Chef – der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen – hat uns per Landeswahlordnung rechtlich dazu verpflichtet. Es kann doch nicht sein, dass der Innenminister uns einerseits zur Unterschriftensammlung verpflichtet und uns andererseits mit seinen Leuten daran hindert.

Wir zeigten den Polizisten (ihr Wortführer war ein sehr freundliches “Kölsche Orijinaal”) das amtliche Formular. Sie hielten Rücksprache mit ihrem Chef, der sich wiederum bei seinen Chef absicherte. Und siehe da: Wir durften weiter sammeln.

Links: Charles Kwasny (neo Landesvorsitzender Rheinland-Pfalz, fast jede Woche extra von der Mosel angereist). Mitte: neo Bundesgeschäftsführer Andreas Vogel. 2. von rechts: neo Bundesvorsitzender und NRW Spitzenkandidat Jörg Gastmann im Gespräch mit den Ordnungshütern. Ganz rechts: Aktivist Ludger, extra aus Beckum angereist

Wir erklärten den Polizisten, dass wir ohnehin vorhatten, zum Bahnhofsvorplatz weiter zu ziehen. Die Polizisten meinten daraufhin, dass dort bereits eine angemeldete Demo lief. Da juckte es Hajo und Christopher sofort: “Politisch engagierte Bürger? Die sprechen wir einfach an!”

Die etwa 8 Demonstrantinnen waren jedoch an nichts als ihren eigenen Themen interessiert. Schade.

Wir zogen weiter zur Domplatte. Nachfolgend Christopher und Andreas im Gespräch:

Auch “Streetfighter” Hajo – unser mit Anstand erfolgreichster Unterschriftensammler – war wieder in seinem Element:

Bundesvorsitzender Jörg Gastmann freute sich hier am Dom über ein sehr motivierendes Gespräch mit einem Ehepaar aus Westfalen. Nach rund einer Stunde Überzeugungsarbeit und politischer Debatte erhielten wir weitere zwei Unterschriften.

Menschenleere Städte

Nachfolgend sehen wir eines von vielen Beispielen für menschenleere Städte – hier vor dem Rathaus Leverkusen.

neo-Aktivisten – von links nach rechts: Markus Käsler (stellvertretender Landesvorsitzender NRW und mit seiner Frau Silvi und der “Tiersnackeria” Radevormwald eine der größten Stützen der Unterschriftensammlung), Dirk Westerheide (Landesvorsitzender NRW), Andreas Vogel (Bundesgeschäftsführer, Aktions-Management)

Schikanen und Erfolg in Beckum

Aktivist Ludger organisierte die motivierendste Unterschriftensammlung: Von 60 Passanten unterschrieben 47. Hier signalisiert Landesvorsitzender Dirk Westerheide nach wenigen Minuten: Bereits 10 Unterschriften erhalten.

Es dauerte knapp eine Stunde, bis Mitarbeiter des Ordnungsamts Beckum erschienen und uns sowie zwei Stände eines Kinderfestes dazu zwangen, die Pavillons abzubauen. Das sei eine unerlaubte Flächennutzung. Den Tisch legten wir mit der Kante auf den Boden. Das war dann ok. Auf die Idee, die beiden Stehtische zu ungenehmigten Ständen und die Sackkarre mit Plakat zum ungenehmigtem Bauwerk zu erklären, kamen sie immerhin nicht. Weiter ging es ohne Pavillon.

Auch die Polizei erschien (siehe Hintergrund) und verteilte Bußgeld-Strafen für Abstands- und Maskenverstöße. Im Freien. In einem Park.

Fazit

Wir können stolz sein auf unsere Team-Leistung!

Ein riesiger Dank an Andreas und Majbritt für das Management!

Riesigen Dank an “Streetfighter” Hajo und Charles, ohne die wir es nicht geschafft hätten, und die den größten Einsatz zeigten, als wir ihn dringend brauchten!

Riesigen Dank an Markus und Silvi, die in ihrem Laden fast jeden für eine Unterschrift “verhaftet” haben.

Riesigen Dank an Ludger, der zum Schluss noch eine sehr motivierende und erfolgreiche Sammlung in Beckum möglich machte!

Herzlichen Dank an alle, die aktiv waren, als wir sie brauchten, von Reinhard über Markus R, Christopher, Michael K, Kersten, Gilla und Udo, Simone, Thomas und Frank bis hin zu Dirk, der den ganzen Laden zusammengehalten und vorangetrieben hat, als es schwierig wurde!

Großen Dank auch für die Unterstützung durch Roland bei Twitter!

Großen Dank auch an alle Mitglieder und Unterstützer, die uns per Post die Formulare sandten!

Jetzt schalten wir auf Wahlkampf-Modus und freuen uns, dass inzwischen weitere aktive Mitglieder an Bord kamen.

Wir werden einen Wahlkampf hinlegen, der inhaltlich alle anderen Parteien blass aussehen lässt. Nur die für eine Kleinpartei typische geringe Reichweite steht dem Knacken der 5%-Hürde im Weg.

So oder so werden wir am Wahltag zusammen feiern!